Klett Akademie für Fremdsprachendidaktik

Digitalisierung, Bildungsziele und Curricula

von Annette Kroschewski

Die zunehmende Digitalisierung aller Lebensbereiche führt zu einem stetigen Wandel des Alltags der Menschen. […] Digitale Medien, Werkzeuge und Kommunikationsplattformen verändern nicht nur Kommunikations- und Arbeitsabläufe, sondern erlauben auch neue schöpferische Prozesse und damit neue mediale Wirklichkeiten. […].
Sie ist für den gesamten Bildungsbereich Chance und Herausforderung zugleich. Chance, weil sie dazu beitragen kann, formale Bildungsprozesse – das Lehren und Lernen – so zu verändern, dass Talente und Potentiale individuell gefördert werden; Herausforderung, weil sowohl die bisher praktizierten Lehr- und Lernformen sowie die Struktur von Lernumgebungen überdacht und neu gestaltet als auch die Bildungsziele kritisch überprüft und erweitert werden müssen. (KMK 2016, 8; Hervorhebung AK)

Die Strategie der KMK „Bildung in der digitalen Welt“ stellt die durch die Digitalisierung bzw. „digitale Revolution“ bedingte Notwendigkeit heraus, Ziele und Anforderungen für die schulische Bildung „zu präzisieren bzw. zu erweitern und nunmehr verbindliche Anforderungen zu formulieren, über welche Kenntnisse, Kompetenzen und Fähigkeiten Schülerinnen und Schüler am Ende ihrer Pflichtschulzeit verfügen sollen, damit sie zu einem selbstständigen und mündigen Leben in einer digitalen Welt befähigt werden.“ (2016, 11; „Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 08.12.2016, in der Fassung vom 07.12.2017“). In den zusammenfassenden Erläuterungen zu dieser Strategie wird besonders betont, dass die „Kompetenzen für die digitale Welt“ curricular einzubinden sind, „in einem verbindlichen Kompetenzrahmen beschrieben werden“ und „fachspezifisch in allen Fächern umgesetzt werden“ sollen. In der Strategie der KMK wird für den Bereich der Schule zudem herausgestellt, dass „das Lehren und Lernen in der digitalen Welt dem Primat des Pädagogischen – also dem Bildungs- und Erziehungsauftrag – folgen muss.“ (ebd., 9). Dies wird eingehender wie folgt erläutert:

Das heißt, dass die Berücksichtigung des digitalen Wandels dem Ziel dient, die aktuellen bildungspolitischen Leitlinien zu ergänzen und durch Veränderungen bei der inhaltlichen und formalen Gestaltung von Lernprozessen die Stärkung der Selbstständigkeit zu fördern und individuelle Potenziale innerhalb einer inklusiven Bildung auch durch Nutzung digitaler Lernumgebungen besser zur Entfaltung bringen zu können. (ebd.)

Vor dem Hintergrund dieses allgemeinen pädagogischen und bildungspolitischen Ziels ist zu fragen, welche curricularen Aspekte für das Unterrichtsfach Englisch bzw. für das Lehren und Lernen des Englischen als Fremdsprache wichtig sind. Welche Begriffe und Kompetenzen bzw. Ziele im Zusammenhang mit Digitalisierung und digitalen Medien in bundesweiten und länderspezifischen curricularen Vorgaben bereits zu finden sind, soll daher in diesem Beitrag genauer in den Blick genommen werden.

In Veröffentlichungen zu bundesweiten und länderspezifischen curricularen Vorgaben werden im Bereich der Medienbildung und des digitalen Lernens vielfältige Begriffe verwendet. Dabei wird digitale Kompetenz als ein Teilbereich von Medienbildung und  kompetenz betrachtet. Gemäß Beschluss der KMK „Medienbildung in der Schule“ vom 8. März 2012 wird Medienkompetenz wie folgt definiert:

[…] Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die ein sachgerechtes, selbstbestimmtes, kreatives und sozial verantwortliches Handeln in der medial geprägten Lebenswelt ermöglichen. Sie umfasst auch die Fähigkeit, sich verantwortungsvoll in der virtuellen Welt zu bewegen, die Wechselwirkung zwischen virtueller und materieller Welt zu begreifen und neben den Chancen auch die Risiken und Gefahren von digitalen Prozessen zu erkennen. (KMK 2012, 3)

In der Strategie der KMK zur „Bildung in der digitalen Welt“ (Dezember 2016) werden verschiedene Bereiche dieser Kompetenz eingehender beschrieben, z B. „[...] Kompetenzen [...], die eine kritische Reflektion in Bezug auf den Umgang mit Medien und über die digitale Welt ermöglichen“ (KMK 2016, 11) und „Kompetenzen [...], die für eine aktive, selbstbestimmte Teilhabe in einer digitalen Welt erforderlich sind“ (ebd., 12).

Hier kann ein Bezug zum Kompetenzbegriff nach Weinert hergestellt werden, der neben Wissen und Können (Fähigkeiten und Fertigkeiten) auch Motivationen und Einstellungen, eine kritische Reflexionsfähigkeit, Problemlösefähigkeiten sowie Zieldimensionen wie Partizipations- und Diskursfähigkeit, Mündigkeit bzw. Autonomie in sozialer Verantwortung einbezieht.

Folgende „sechs Kompetenzbereiche“ werden in dem Strategiepapier unter den „Kompetenzen in der digitalen Welt“ (mit weiteren Unterpunkten) aufgeführt (vgl. ebd., 16ff.):

  1. Suchen, Verarbeiten und Aufbewahren
  2. Kommunizieren und Kooperieren
  3. Produzieren und Präsentieren
  4. Schützen und sicher Agieren
  5. Problemlösen und Handeln
  6. Analysieren und Reflektieren

Zur Implementierung der KMK-Strategie sind z.B. der „Medienkompetenzrahmen NRW“ sowie entsprechende Vorgaben anderer Bundesländer erarbeitet worden. Hier werden ebenfalls verschiedene Kompetenzbereiche unterschieden, die auch für die curricularen Vorgaben und deren Weiterentwicklung zentral sind.
Auf europäischer Ebene wird digitale Kompetenz im „European Digital Competence Framework for Citizens (DigComp)“ wie folgt definiert:

Being digitally competent is more than being able to use the latest device or software. Digital competence is a key transversal competence that means being able to use digital technologies in a critical, collaborative and creative way.

In der Fremdsprachendidaktik und im Fremdsprachenunterricht muss die digitale Kompetenz auf kommunikatives Handeln und interkulturelle Diskursfähigkeit bezogen werden und zu ihrer Förderung beitragen.

weitere Artikel dazu:
Digitalisierung und Englischunterricht

In den Lehrplänen der Bundesländer (Rahmenpläne, Kernlehrpläne usw.) wird die Bedeutung von Medien im Allgemeinen sowie von digitalen Medien und Digitalisierung im Besonderen in unterschiedlicher Weise und mit verschiedenen Akzentuierungen deutlich. Sowohl fachübergreifende als auch fachspezifische Aspekte werden mit Blick auf Digitalisierung, Medienbildung, Text- und Medienkompetenz (mündlich, schriftlich, medial; vgl. auch die Kompetenzbereiche der Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache 2012) usw. fokussiert.

So werden in den Lehrplänen für das Fach Englisch in verschiedenen Bundesländern Medienkompetenz und insbesondere der (kritische) Umgang mit digitalen Medien und Textsorten herausgestellt. Diese Aspekte sind mit Blick auf das Ziel einer selbstbestimmten Teilhabe an bzw. Partizipationsfähigkeit in einer digitalisierten Gesellschaft von großer Bedeutung.

Bei genauerer Analyse wird deutlich, dass Aspekte der Digitalisierung in den Lehrplänen aller Bundesländer und für alle Altersstufen in unterschiedlicher Weise und in unterschiedlichem Ausmaß berücksichtigt sind. Der Medienpass NRW z.B. versteht sich als ein übergreifender „Medienkompetenzrahmen“ und „Lehrplankompass“, der in seiner ersten Fassung für verschiedene Kompetenzstufen (Stufe 1: Vorschul-/Elementarbereich, Stufe 2: Grundschule bis Klasse 4, Stufe 3 und 4: Sekundarstufe I bis Klasse 10) die folgenden zentralen Kompetenzbereiche beschreibt:

  1. Bedienen und Anwenden
  2. Informieren und Recherchieren
  3. Kommunizieren und Kooperieren
  4. Produzieren und Präsentieren
  5. Analysieren und Reflektieren

Im Oktober 2017 wurde der Medienpass aktualisiert und um einen weiteren Kompetenzbereich erweitert:

6. Problemlösen und Modellieren

Für die schul- und fachspezifische Umsetzung ist interessant,

[…] dass es nur noch einen einzigen Rahmen für alle Stufen gibt. Die Differenzierung, abhängig von Schulform und Altersstufe, erfolgt künftig durch die Komplexität der jeweiligen Unterrichtsbeispiele zu den einzelnen Teilkompetenzen. Weiterführende Schulen, die auf Basis des Medienkompetenzrahmen NRW ihr Medienkonzept erstellen, müssen also auch nur noch ein Raster systematisch auf alle Fächer bzw. Fachgruppen verteilen.

Die bereits in der ursprünglichen Fassung intendierte „Systematisierung der Kompetenzförderung“ soll eine „fächerübergreifende Zusammenarbeit“ bei der Entwicklung eines „Medienkonzepts für die gesamte Schule“ erleichtern: „Jede Fachschaft kann die Anwendung des Medienpasses individuell an eigene Unterrichtsinhalte anpassen“.

Die einzelnen Kompetenzbereiche des Medienpasses sowie die jeweils beschriebenen Teilkompetenzen sind auch für die curriculare Weiterentwicklung des Englischunterrichts relevant. Kompetenzen wie „Die Vielfalt der Medien, ihre Entwicklung und Bedeutungen kennen, analysieren und reflektieren“ (Analysieren und Reflektieren: Medienanalyse) sowie „Grundlegende Prinzipien und Funktionsweisen der digitalen Welt identifizieren, kennen, verstehen und bewusst nutzen“ (Problemlösen und Modellieren) können z.B. in Unterrichtsreihen wie „The Role of Media in People’s Lives“ (Haß/Kroschewski 2012) in Verbindung mit kommunikativ-fremdsprachlichen, kooperativen, interkulturellen, literarischen und weiteren Kompetenzen sowohl im Sinne eines Lernens über Digitalisierung bzw. digitale Medien als auch eines Lernens mit digitalen Medien gefördert und entwickelt werden.
Auch in anderen neueren Rahmentexten wird „Sprach- und Medienbildung“ als übergreifende Aufgabe verstanden, die in jedem Fach integriert werden kann und soll. Der aktuelle Rahmenlehrplan 1-10 kompakt: Themen und Inhalte des Berliner Unterrichts im Überblick (2017) z.B. weist sehr prominent auf „Medienkompetenz“ (ebd., 9) hin. Wichtig ist, dass Sprach- und Medienbildung auch hier im Sinne eines integrativen Ansatzes verstanden wird: Sie soll sowohl fachübergreifend als auch in den Fächern in spezifischer Weise integriert werden. So wird im „Basiscurriculum Medienbildung“ (vgl. Teil B Fachübergreifende Kompetenzentwicklung, 13ff.) unter den Kompetenzbereichen „Informieren, Kommunizieren, Präsentieren, Produzieren, Analysieren, Reflektieren“ „[d]er Beitrag der Medienbildung zum Kompetenzerwerb in den Unterrichtsfächern“ hervorgehoben und Medienkompetenz wie folgt definiert:

Medienkompetenz bezeichnet die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die für ein sachgerechtes, selbstbestimmtes, kreatives und verantwortliches Handeln in einer von Medien wesentlich mitbestimmten Welt notwendig sind. Medienbildung ist verbindliche Querschnittsaufgabe aller Fächer und berücksichtigt das Lernen mit und über Medien. (ebd., 13; Hervorhebungen AK)

Hier lassen sich Bezüge zu den Veröffentlichungen der KMK zur Medienbildung und den Definitionen von Medienkompetenz erkennen. Dabei wird Lernen mit Medien wie folgt beschrieben:

Lernen mit Medien bedeutet, dass sich die Lernenden Informationen selbstständig, interaktiv und kooperativ aneignen und Wissensbereiche erschließen, die über ihren eigenen Erfahrungshintergrund hinausreichen. Medien ermöglichen ihnen, an einer erweiterten Kommunikation jenseits des Klassenraums teilzuhaben. Sie unterstützen sie zudem bei der Präsentation eigener Informationsangebote und Rechercheergebnisse. (ebd., 13)

Lernen über Medien hingegen fokussiert im Rahmen der Medienbildung folgende Fähigkeiten bzw. Kompetenzen:

Dementsprechend unterstützt Medienbildung im Sinne des Lernens über Medien die fachübergreifende Kompetenz zur Analyse, Bewertung und Reflexion von Texten, Alltagserlebnissen und gesellschaftlichen Herausforderungen. Die Auseinandersetzung mit Medien(-inhalten) als Lerngegenstand fördert zudem die Fähigkeit, im eigenen Medienhandeln sowohl Chancen als auch Risiken zu erkennen und aktiv gestaltend wie auch sozial verantwortungsbewusst im Umgang mit Medien zu handeln. (ebd., 14)

Explizit betont wird, dass Medienbildung „mehr beinhaltet als die Entwicklung von Methodenkompetenz. Das Lernen mit und über Medien ist eine gemeinsame und bedeutsame Anforderung von Schule und Unterricht in der Mediengesellschaft“ (ebd.).

Neben zentralen Zielen und Begriffen wie Medienbildung und -kompetenz werden auch Begriffe wie Medienkonvergenz in Zusammenhang mit Digitalisierung erläutert:

Medienkonvergenz beschreibt das durch die Digitalisierung bedingte zunehmende Zusammenwachsen verschiedener Medienbereiche, die ehemals getrennt (analog) waren. Inhaltlich wachsen die Medieninhalte und deren Verbreitungswege zusammen. Medienkonvergenz bedeutet auch die ergänzende Nutzung und Produktion konvergenter Medienangebote durch die Nutzerinnen und Nutzer selbst. (ebd., 23; Hervorhebung AK)

Für die modernen Fremdsprachen wird unter den „[f]achbezogenen Kompetenzen“ (vgl. Teil C: Moderne Fremdsprache Jahrgangsstufen 1-10) der Begriff „Text- und Medienkompetenz“ bei der Beschreibung zentraler Ziele verwendet:

Text- und Medienkompetenz zielt auf die Teilhabe der Schülerinnen und Schüler an der Gesellschaft und den Kulturen der Zielsprachenländer. Sie ermöglicht die Aufnahme und Verarbeitung ebenso wie die selbstständige Erstellung unterschiedlicher Texte. Dies gilt für Texte im erweiterten Sinn, schließt also auch bildliche Gestaltung und Hör- bzw. Hörsehtexte mit ein. Sie umfasst das Erkennen unterschiedlicher Merkmale von Texten und Medien, die Verwendung dieser Merkmale bei der Produktion eigener Texte sowie die Reflexion über deren Wirkung. Aufgrund ihrer umfassenden Zielsetzung geht diese Kompetenz über die Kompetenzbereiche Leseverstehen, Hör-/Hörsehverstehen, Sprechen und Schreiben hinaus. (ebd., 11)

Zugrunde liegt ein erweiterter Textbegriff. Hier werden auch explizit digitale Texte und Medien genannt und Stufen der Kompetenzentwicklung von „unter Anleitung ausgewählte digitale und analoge Medien altersentsprechend für den Umgang mit der Fremdsprache nutzen“ bis hin zu „digitale und analoge Medien selbstständig und kritisch zur Informationsbeschaffung und Textproduktion nutzen“ (ebd., 31) beschrieben. Kompetenzen wie „Kenntnisse zu verschiedenen Textsorten gezielt für die Texterschließung einsetzen und für die eigene Textproduktion anwenden“, „die Wirkung grundlegender sprachlicher und medial vermittelter Gestaltungsmittel erkennen und deuten“ sowie „Präsentationsformen selbstständig und funktional in Bezug auf komplexere Inhalte anwenden“ sind in diesem Zusammenhang ebenfalls relevant (ebd.). Bei den Kompetenzen ist mithin eine Entwicklung zu fördern, die zunächst „unter Anleitung“ erfolgt und auf eine „selbstständige“ sowie „kritische“ Nutzung, Anwendung und Reflexion mit Blick auf „komplexere Inhalte“ (ebd.) abzielt.

Anhand der curricularen Vorgaben für das Fach Englisch in NRW können ausgewählte Aspekte exemplarisch veranschaulicht werden.
Nicht nur in der Sekundarstufe I und II, sondern bereits in Lehrplänen für die Grundschule werden (digitale) Medien mit zentralen Prinzipien und Zielsetzungen des Englischlehrens und -lernens in Verbindung gebracht. So hat das Prinzip der Authentizität bereits im Lehrplan der Grundschule für das Fach Englisch (2008) sowie in den anderen Kernlehrplänen in NRW einen wichtigen Stellenwert und ist insbesondere auch mit digitalen Medien von Interesse:

Eine wesentliche Voraussetzung für das Verständnis fremder Kulturen und Lebensweisen ist Authentizität. An diesem Anspruch müssen sich Themen, Situationen und vor allem Materialien messen lassen. In Frage kommen unterschiedliche Medien z.B. Kinderlieder, Kinderbücher und multimediale Materialien. Vor allem E-Mail Kontakte in englischer Sprache sind eine Möglichkeit der authentischen Begegnung. (MSW NRW 2008, 74; Hervorhebung AK)

Digitale Medien können neben anderen Texten und Medien für (authentische) Begegnungs- bzw. Verstehensprozesse genutzt werden, deren Bedeutung für die Entwicklung von Sprachkompetenz hervorgehoben wird:

Ein entscheidender Schritt beim Aufbau einer Sprachkompetenz ist das Verstehen. Neue sprachliche Formen und Strukturen müssen zunächst in situativen Kontexten auditiv und visuell wahrgenommen, intern mit Bekanntem abgeglichen und innerlich organisiert werden, ehe sie den Schülerinnen und Schülern für die Sprachproduktion zur Verfügung stehen. Dafür brauchen Schülerinnen und Schüler ein intensives Sprachangebot (Sprachbad) und vielfältige Verstehenshilfen [...]. Auf diese Weise erleben die Kinder, dass sie dem Unterrichtsgeschehen folgen können und englischen Geschichten, Hörtexten und Hörsehtexten (Videos) – auch unter Einbezug ihres Weltwissens – wesentliche Informationen entnehmen können. (ebd., 73)

Neben der hier beschriebenen Informationsentnahme, die psycholinguistisch als aktiv-konstruktiver Verstehensprozess zu betrachten und gezielt zu fördern ist, sind die produktiven Kompetenzen des Sprechens zu fördern. Unter dem Schwerpunkt „Lernstrategien und Arbeitstechniken – Umgang mit Medien“ sollen auch Hilfsmittel wie digitale Medien zunehmend selbstständig von den Schülerinnen und Schülern genutzt werden (ebd., 21).

(Digitale) Medien werden auch in anderen Curricula insbesondere unter dem Bereich „Methoden“ zur Förderung des selbstständigen und kooperativen Lernens aufgeführt. Wichtig ist jedoch zu beachten, dass digitale Kompetenz weit über den Bereich des Methodischen hinausgeht.

Auch im Kernlehrplan Englisch für die Realschule in NRW werden digitale Medien im Bereich der methodischen Kompetenzen „für das selbstständige und kooperative Lernen“ aufgeführt: „Sie [die Schülerinnen und Schüler; AK] können dabei im Unterricht verschiedene Medien (u.a. die digitalen Medien) einsetzen.“ (2004, 26) Im Bereich „Umgang mit Texten und Medien“ werden „grundlegende Kompetenzen“ für „media literacy/IT [Information Technology]“ beschrieben, z.B. „Computerprogramme nutzen (u.a. selbstständig das Internet für Recherche und Kommunikation nutzen)“ (ebd., 39). Am Ende der Sekundarstufe I werden zudem folgende Kompetenzerwartungen aufgeführt:

Sie [die Schülerinnen und Schüler] können Informationsangebote nutzen, u.a. […]

  • deutlich gesprochenen Berichten in Rundfunk und Fernsehen zu vertrauten Themen sowie klar strukturierten Internet-Angeboten wichtige Informationen entnehmen […]

Sie können einfache gesellschaftliche und kulturelle Zusammenhänge englischsprachiger Länder verstehen, u.a.

  • Recherchen, auch Internetrecherchen, zu leicht zugänglichen technologischen, geographischen, politischen, historischen, kulturellen Aspekten durchführen
  • einige charakteristische Merkmale der Kultur und Gesellschaft als Orientierungswissen erfassen (u.a. Arbeitsgewohnheiten, Massenmedien, Sport, Wohnverhältnisse, Familienbeziehungen, Minderheiten, […] (ebd., 14f.; Hervorhebungen AK)

Neben (digitalen) Texten und Medien wie „Werbespots und Videoclips“, „medial vermittelten einfachen authentischen oder adaptierten Sachtexten (u.a. Fernsehnachrichten, Interviews)“, die hier mit dem Fokus der „Entnahme“ wesentlicher Informationen beim „Hör-Hörsehverstehen“ genannt werden, sind auch weitere digitale Texte zur Förderung kommunikativer Kompetenzen zu nutzen (vgl. ebd., 34). Die Entstehungszeit dieses Kernlehrplans sowie die für die anderen Schulformen ersten kompetenzorientierten Kernlehrpläne in NRW müssen bei der Betrachtung der hier aufgeführten Kompetenzen berücksichtigt werden. Veröffentlicht wurde er, wie die ersten Kernlehrpläne für Gymnasien und Gesamtschulen, im Jahre 2004. Die Aspekte und Kompetenzen, die sich auf digitale Medien beziehen, finden sich in ähnlicher Form in den Lehrplänen verschiedener Schulformen und -stufen.
Im Kernlehrplan Englisch Gymnasium (G8) NRW, der wegen der Schulzeitverkürzung im Jahre 2007 erschien, wird der Einsatz digitaler Medien „für das selbstständige und kooperative Lernen“ sowie „unterrichtliches und außerschulisches Lernen“ im Rahmen der „Kompetenzerwartungen am Ende der Jahrgangsstufe 9“ hervorgehoben:

Die Schülerinnen und Schüler können ein vielseitiges Inventar von Lern- und Arbeitstechniken in der Regel routiniert für das selbstständige und kooperative Lernen nutzen. Sie können dabei verschiedene Medien (u.a. die digitalen Medien) für unterrichtliches und außerschulisches Lernen einsetzen. (2007, 41; Hervorhebung AK)

Für die Oberstufe wird im Kernlehrplan Sekundarstufe II Gymnasium/Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen Englisch (2014) explizit beschrieben, dass „der Englischunterricht […] kontinuierlich die Text- und Medienkompetenz“ stärkt, die auch „im Einklang mit den anderen Fächern des sprachlich-literarischen Aufgabenfeldes“ entwickelt werden soll“ (ebd., 12). Hierbei wird folgende Definition von „Text- und Medienkompetenz“ zugrunde gelegt:

Text- und Medienkompetenz umfasst die Fähigkeit der Schülerinnen und Schüler, Texte selbstständig, zielbezogen sowie in ihren historischen und sozialen Dimensionen zu verstehen und zu deuten sowie eine Interpretation zu begründen. Dies schließt auch ihre Fähigkeit ein, die gewonnenen Erkenntnisse über die Bedingungen und Techniken der Texterstellung für die eigene Produktion von Texten zu nutzen. Auch in diesem Zusammenhang gilt der erweiterte Textbegriff. (ebd., 17)

Diese Text- und Medienkompetenz soll „insbesondere in den Themenfeldern des grundlegenden soziokulturellen Orientierungswissens“ erworben werden (ebd., 24). Dabei wird bei den „Themenfeldern anglophoner Bezugskulturen“ mit Blick auf „[p]olitische, soziale und kulturelle Wirklichkeiten“ u.a. der thematische Aspekt „Zusammenleben, Kommunikation und Identitätsbildung im digitalen Zeitalter“ als verbindlich aufgeführt (ebd., 23). Weitere Aspekte können nicht nur im Zusammenhang mit der Digitalisierung, sondern auch mit der Globalisierung der Gegenwart und Zukunft, die auch für Lernende ein lebensweltlich relevantes Thema darstellt, in der Qualifikationsphase vertieft werden. So wird in den Vorgaben für das Fach Englisch in der Qualifikationsphase nicht nur die Nutzung unterschiedlicher Medien aufgeführt („unterschiedliche Medien, Strategien und Darstellungsformen nutzen, um eigene Texte – mündlich wie schriftlich – adressatenorientiert zu stützen“), sondern auch darüber hinausgehende Kompetenzen wie „einschätzen, welchen Stellenwert Texte und Medien für das eigene Sachinteresse bzw. für die Bearbeitung einer Aufgabenstellung haben“; Lernende sollten zudem „ihr Erstverstehen, ihre Deutungen und ihre Produktionsprozesse kritisch reflektieren und ggf. revidieren“ (ebd., 25).

Wichtig ist, dass nicht nur die Nutzung und der Umgang mit digitalen Medien, sondern auch der Erwerb von „Text- und Medienkompetenz in exemplarischer und kritischer Auseinandersetzung mit einem repräsentativen und geschlechtersensibel ausgewählten Spektrum soziokulturell relevanter“ Texte unterschiedlicher Art („Sach- und Gebrauchstexte“, „literarische Texte“, „diskontinuierliche Texte“ und „medial vermittelte Texte“; ebd., 34) entwickelt werden soll. Unter „medial vermittelte[n] Texte[n]“ wie „podcasts“ werden auch „digitale Texte“ wie „blogs“ und „Internetforenbeiträge“ (ebd.) herausgestellt. Dass die Auseinandersetzung mit Texten kritisch erfolgen soll, geht über die in anderen curricularen Vorgaben zu findenden Aspekte der bloßen „Informationsentnahme“ aus Texten hinaus. Ein solches Bild der Informations’entnahme’ muss auch in Anbetracht psycholinguistischer, und literaturdidaktischer Forschungserkenntnisse problematisiert werden. Ein aktiver, konstruktiver, diskursiver und kritisch-reflexiver Umgang mit digitalen Texten und Medien ist nicht nur vor diesem Hintergrund, sondern auch für die Kompetenzentwicklung mit Blick auf Digitalisierung im Englischunterricht, die sich in kritisch-reflexiven (mündlichen, schriftlichen, digitalen) Positionierungen äußern kann, wichtig.

Einige curriculare Vorgaben sind sicher auch vor dem Hintergrund ihrer Entstehungszeit zu betrachten. Dies wird vor allem bei einigen älteren Lehrplänen deutlich. Eine Ausweisung von „Text- und Medienkompetenz“ mit einigen weiteren Erläuterungen ist mit Blick auf die spezifischen Bereiche digitaler Kompetenz nicht mehr ausreichend. Weitere Spezifizierungen und Erweiterungen, die die eingangs erwähnten Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung noch besser berücksichtigen, damit Schülerinnen und Schüler auch in diesem Bereich selbstbestimmt und kritisch-reflektiert in der gegenwärtigen und zukünftigen digitalisierten Welt leben können, sind in etlichen Curricula noch als Desiderat zu betrachten. Bei der Weiterentwicklung der Curricula für das Fach Englisch sollten diese daher noch eingehender berücksichtigt werden.

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