Bei dem Text “Una sopa de piedra” handelt es sich um die Adaption eines volkstümlichen Märchens, das in verschiedenen Kulturen, Sprachen und Versionen überliefert ist. Alle Versionen weisen in verschiedenen Variationen folgende Kernhandlung auf:
Ein armer, alter Mann (Bettler, Kriegsveteran, in der Version als Tierfabel ein alter Wolf) kommt in ein Dorf. Er klopft an verschiedene Türen und fragt nach einer Mahlzeit, wird aber überall abgewiesen. Daher setzt er sich auf den Dorfplatz, macht ein Feuer, hängt einen Topf mit Wasser über das Feuer und legt einen Stein in den Topf. Die Dorfbewohner werden neugierig und fragen, was es mit dem Stein auf sich habe. “Das ist ein Suppenstein”, antwortet der Mann. “Wenn man ihn lange genug kocht, entsteht eine köstliche Suppe.” Nach und nach bieten die Dorfbewohner an, selbst etwas zur Suppe beizusteuern: Eine Frau bringt ein paar Karotten, ein Mann bringt ein paar Kartoffeln, eine weitere Person bringt Teller und Löffel usw. Schließlich sind alle Dorfbewohner um den Topf versammelt und essen gemeinsam die reichhaltige “Steinsuppe”.
Die französische Bilderbuchautorin Anaïs Vaugelade hat das Märchen in einem illustrierten Buch für Kinder und Jugendliche als Tierfabel nacherzählt. In dieser Version ist der Bettler ein alter Wolf, der bei einem Huhn anklopft. Es lässt ihn – zögerlich – eintreten, damit er im Haus die “Steinsuppe” kochen kann. Nach und nach kommen weitere Tiere dazu (Schwein, Ente, Pferd), die alle etwas Gemüse zur Suppe beisteuern. Auch hier mündet die Handlung in ein gemeinsames Essen, das bis weit in den Abend hinein andauert. Am Ende nimmt der Wolf den “Suppenstein” wieder aus dem Topf und geht seiner Wege. Beim vorgeschlagenen Text handelt es sich um die Übersetzung ins Spanische auf Grundlage der Adaption von Anaïs Vaugelade. Dabei stellt die Fabel-Version durch die Tiercharaktere darstellerisch - auf körperlicher wie sprachlicher Ebene - ein besonders geeignetes, niedrigschwelliges Spielangebot dar.
Anaïs Vaugelade: Una sopa de piedra, Digitales Bilderbuch
Die Kernaussagen des Märchens wie auch der Fabel kreisen um Themen wie Gastfreundschaft, Solidarität und Kooperation, Vertrauen und Misstrauen. Es zeigt, dass die verbreitete Reserviertheit von Menschen manchmal durch eine pfiffige Idee überwunden werden kann - oder vielleicht doch nicht? Der Schluss bleibt nämlich offen. Die Schüler:innen können auf Grundlage der Geschichte darüber reflektieren, warum Menschen häufig einen Anlass oder einen “Katalysator” brauchen, hier: den “Suppenstein”, um zusammenzukommen und gemeinsam das zu erleben, was sich alle wünschen: einen geselligen Abend bei einem guten Essen, zu dem alle etwas ganz nach ihren individuellen Vorlieben beitragen können. Die Fabelversion mit Tieren halten wir für Schüler:innen für besser umsetzbar. Die weiteren Ausführungen beziehen sich auf diese Version.