Autorin: Annette Reuber
Die Digitalisierung wird die Arbeitswelt verändern und diese Veränderungen werden sich demnach auch auf die berufliche Ausbildung niederschlagen. Wenn z. B. in administrativen Berufen und solchen im Umfeld von Finanzdienstleistern künstliche Intelligenz die nicht komplexen Tätigkeiten mit festen Routinen oder Tätigkeiten rein analytischer Natur ersetzen können, dann werden sich Beschäftigungsformen und Arbeitsbereiche wandeln und die berufliche Ausbildung wird sich den neuen Kompetenzanforderungen anpassen müssen. Die Internationalisierung wird vertiefte Kenntnisse in der ersten Fremdsprache erfordern, gegebenenfalls auch die Kenntnis einer weiteren Sprache, aber eben nicht für Routineaufgaben, sondern für Analyse- und Kontrolltätigkeiten sowie für die Kommunikation im Zusammenhang mit der Koordinierung und Durchführung internationaler Projekte. Hierzu werden Sprachkenntnisse auf dem Niveau von B2 bis C1 erforderlich sein. Was bedeutet das aber für die Vermittlung von Spanisch als zweiter Fremdsprache im Rahmen der beruflichen Ausbildung, für die das Erreichen des Niveaus A2 bis B1 vorgesehen ist und die sich bisher an der Vermittlung von Routineaufgaben in den zukünftigen Berufsfeldern orientierte (z. B. Serienbriefe erstellen)? Zu berücksichtigen ist auch, dass Erfahrungen zeigen, dass die Lernenden häufig nach zwei Jahren Spanischunterricht lediglich über eine basale Kommunikationsfähigkeit verfügen, die den oben skizzierten Anforderungen nicht standhalten.
Welche Auswirkungen wird die Digitalisierung in der Berufs- und Alltagswelt also auf die Vermittlung der verschiedenen Kompetenzbereiche haben?
Wenn digitale Tools also zur Bewältigung einfacher beruflicher Handlungssituationen eingesetzt werden können und dabei die menschlichen Ressourcen nach zwei Jahren Unterricht übertreffen, dann wird man sich die Frage stellen, ob man diese spezifischen beruflichen Handlungssituationen und die damit verbundenen Kompetenzen (Sprechen, Hören, Lesen, Schreiben, Sprachmittlung) tatsächlich mühevoll und häufig ohne nachhaltigen Erfolg einüben sollte.
Und wenn die Bewältigung mündlicher und schriftlicher beruflicher Handlungssituationen nicht mehr im Vordergrund steht, was rückt dann an deren Stelle? Wofür gibt es Freiräume? Was kann und muss dann stärker gefördert werden? Was könnte z. B. der Spanischunterricht leisten, um die kognitive Empathie, rhetorische Fähigkeiten, Adaptations- und Begeisterungsfähigkeit sowie Flexibilität zu fördern, die für das Arbeiten in internationalen Teams in zeitlich begrenzten Projekten auch notwendig sind? Inwiefern kann der Spanischunterricht einen Beitrag dazu leisten, dass sich Lernende zu offenen, kommunikativen, toleranten Menschen entwickeln, die gut mit anderen Menschen (auch aus unterschiedlichen Kulturkreisen) zusammenarbeiten, weil sie sich in andere hineinversetzen können, Distanz zu sich selbst wahren, die (Fremd-)Sprache entweder mündlich beherrschen oder aber die digitalen Medien wie „Echtzeit-Übersetzer“ effektiv nutzen und v. a. auch dazu lernen wollen. Deutlich wird, dass sowohl die interkulturelle Kompetenz als auch die Medienkompetenz an Bedeutung gewinnen werden.
Im Folgenden werden mögliche Auswirkungen der Digitalisierung auf die Förderung der verschiedenen Kompetenzbereiche ausgeführt. Aus den oben genannten Ausführungen ergibt sich, dass unterschieden werden muss, ob der Unterricht im Fach Spanisch lediglich zu Kenntnissen auf dem Niveau von A2 bzw. B1 oder zu vertieften Kenntnissen auf dem Niveau von B2 bzw. C1 führen soll. Die Ausführungen zu berufsbildenden Schulen sind auf unterrichtliche Zusammenhänge bezogen, die das Niveau A2 bis B1 anstreben.
Besonderheiten der berufsbildenden Schulen (PDF)