Autor: Prof. Dr. Andreas Grünewald
Am Beispiel der Sprachmittlung lässt sich gut veranschaulichen, dass der fortschreitenden Digitalisierung nicht damit zu begegnen ist, die etablierten Aufgaben und Inhalte nun einfach in einem anderen Medium darzustellen. Digitalisierung hat unserer Auffassung nach eine weitreichende Dimension: Sie beeinflusst die Kommunikationsformen und verändert Inhalte sowie Methoden des Fremdsprachenunterrichts.
Entwicklung der künstlichen Intelligenz im Hinblick auf fremdsprachliche Kommunikation
Die künstliche Intelligenz hat in den vergangenen Jahren derartig rasante Fortschritte gemacht, dass z. B. mit kostenlosen und frei zugänglichen Übersetzungsprogrammen (DeepL u. a.) oder mit entsprechenden Apps (Google Übersetzer, iTranslate u. a.) in Millisekunden beeindruckend gute Übersetzungen entstehen. Die Programme erkennen Straßenschilder durch die Smartphonekamera und übersetzen diese in jede beliebige Sprache. Man kann Sätze einsprechen und diese übersetzen lassen, Texte in das Eingabefeld hineinkopieren und erhält dabei erstaunlich gute Ergebnisse.
„Echtzeit-Übersetzer“ für unterwegs wie z. B. iTranslate übertragen fremdsprachliche Äußerungen des Gesprächspartners in eine beliebige Sprache und können durch Kopplung mit dem Smartphone auch die eigenen Äußerungen dann als Audiotext übersetzen, wenn der Gesprächspartner kein entsprechendes Übersetzungsprogramm „am Ohr trägt“. Ebenso gibt es bereits Softwarelösungen namhafter Firmen, die Simultanübersetzungen für Telefonmeetings anbieten, sodass man beim Telefonieren via Internet live übersetzen lassen kann.
Was ist Sprachmittlung?
Sprachmittlung wird als eine Übertragung von mündlichen oder schriftlichen Texten, als alltägliche, nicht-professionelle Tätigkeit definiert, in der die Inhalte einer Ausgangssprache in eine Zielsprache und gegebenenfalls auch umgekehrt übertragen werden. Der sprachmittelnden Person kommt so eine entscheidende Rolle zu, da sie gleichzeitig Sprache übermittelt und vermittelt und somit vor besondere Herausforderungen gestellt wird (zu weiteren Definitionen und zur Abgrenzung gegenüber dem Begriff der Übersetzung siehe auch Knapp/Knapp-Potthoff 1985, Rössler/Reimann 2013, Kolb 2016).
Sprachmittlung in digitalisierten Lernumgebungen
Wenn wir die Forderung nach dem Lebensweltbezug von Aufgaben im Fremdsprachenunterricht ernst nehmen, muss die Frage gestellt werden, ob Sprachmittlung eine Kompetenz ist, die nach wie vor in Situationen wie „Du sprachmittelst für deine Eltern auf dem Campingplatz die Regeln zum Einchecken“ kontextualisiert werden kann. Oder erfordert die fortschreitende Digitalisierung nicht vielmehr ganz andere Aufgabenformate, wenn nicht sogar Kompetenzen? Dabei ist an den angeleiteten und reflektierten Einsatz von Übersetzungsplattformen oder entsprechenden Apps zu denken (siehe hierzu auch unter „Lehrwerksarbeit“ unter Unidad 5). Daran könnten sich Aufgaben zur Sprachreflexion anschließen, in denen z. B. eigene Sprachmittlungsergebnisse mithilfe von Übersetzungsprogrammen überarbeitet werden. Auch könnten sich Aufgaben eher auf den digitalen Raum beziehen: So könnte also der Inhalt einer Webseite gemittelt werden. Häufig stehen Übersetzungen unterschiedlicher Qualität von Webseiten bei der Suchmaschine Google zur Verfügung. Diese könnten auf inhaltliche und sprachliche Richtigkeit hin untersucht werden.
Die Reflexion über gelungene oder nicht gelungene Sprachmittlung und automatisierte Übersetzung muss zukünftig an Bedeutung gewinnen. Dabei müssen die digitalen Werkzeuge selbstverständlich und kompetent genutzt werden. Es wird eine Aufgabe des Fremdsprachenunterrichts sein, die zur reflektierten Nutzung dieser kommunikationsorientierten Apps und Plattformen notwendigen Kompetenzen zu vermitteln.